Pfadfinder auf der Alm
Freundschaften bestanden schon seit Jahren zwischen Mitglieder des Pfadfinderbundes Weltenbummler aus Dorfen, dem Almbauern Herrn Gwercher und der Familie Ullner. Dem Leitspruch der Pfadfinder: „Die Welt durch unser Dasein ein Stück besser hinterlassen, als man sie vorgefunden hat,“ können wir alle zustimmen.
Wir wissen, wie viel Arbeit und Mühe das Erhalten der traditionellen Almen macht. Der Stammesführer der Pfadfinder, war sofort bereit, dringend notwendige Hilfe bei Frühjahrsarbeiten auf einer Alm zu leisten. Wir besprachen die nötigen Arbeiten zum Erhalt der Almen, die nach einem langen Winter anfallen. Eine Gruppe von Pfadfindern ( 12 – 50 Jahre alt) erklärte sich spontan bereit, auf der Weissachalm zu helfen.
Am Mittwoch, den 13. Mai trafen wir uns auf dem Hof von Herbert Gwercher, dem Obmann der Almgemeinschaft Weissach und fuhren gemeinsam durch die hereinbrechende Nacht 12 km bis zur Schranke, weitere 8 km Forststraße und durch eine Furt bis zur Almhütte auf gut 1000 m Höhe. Die schwindelerregenden Abgründe, die wir passierten, entdeckte die Gruppe erst auf der Rückfahrt.
Bild 1: Weissachalm vor Guffert -Massiv
Schlechtes Wetter zog auf u. die Temperaturen sanken auf 8 Grad. Max entfachte im Herd Feuer, die Schlafsäcke wurden auf einfachen Bettgestellen direkt unterm Dach ausgerollt und der Proviant für 4 Tage verstaut. Dem Stammesführer wurden inzwischen Schubkarren und Eimer gezeigt und die Frühjahrsarbeiten erklärt. Einige Tage vorher hatten Herbert, Angelika und Rolf die Hütte und die Wasserleitung aus dem Winterschlaf geholt. Sogar die Wasserturbine funktionierte wieder und sorgte für etwas Strom.
Die Pfadfinder haben in 4 Tagen große Mengen Steine von den Steilhängen abgesammelt und am Bachbett aufgeschichtet. Jedes Jahr fällt Gestein von den umliegenden Bergen oder wird im Winter durch Frost aus dem Untergrund hochgedrückt und bedecken kostbare Weideflächen. Die Bauern sind sehr froh über jede getane Arbeit. Am Sonntagnachmittag fuhr die kleine Gruppe strahlend, vollgesaugt mit frischer Bergluft, wieder nach Hause. Bei einem gemütlichen Beisammensein in Dorfen berichteten sie ihre persönlichen Erfahrungen: Alles war einfach super, trotz regnerischem Wetter! Die anstrengende, aber sinnvolle Arbeit für den Erhalt der Alm, die Bewegung in frischer Bergluft, die Beschränkung auf das Notwendige, die Abschirmung von Internet und Handyempfang durch die hohen Berge, gegenseitige Achtsamkeit, das Spüren der eigenen begrenzten Kräfte, die unverfälschte Natur, weit und breit keine weiteren Häuser, keine fremden Menschen und jedes Geräusch hat eine Bedeutung. Bedauert haben die fleißigen Helfer, dass die Kühe noch im Tal waren, da das Gras noch nicht hoch genug war für den Auftrieb. So mussten sie sich mit Hirschen, Rehen, Gämsen, Vögeln, Mäusen, Fröschen und Kröten begnügen. Es gab gemeinsames Singen u. Spielen nach getaner Arbeit. Sie haben durch ihr Tun auf der Weissachalm die Welt dort ein Stückchen besser hinterlassen, als sie sie vorfanden! Wir alle freuen uns auf eine Fortsetzung und hoffen, dass wir noch viele Nachahmer begeistern können.
Zur Geschichte der Weissachalm und der traditionellen Almkultur
Die Weissachalm mit dem Hochleger Issalm ist eine Servitutsalm. Kaiserin Maria Theresia hat mit Weitsicht diese Form der Landwirtschaft auf Staatsgebiet systematisch eingeführt. 1853 wurden Weiderechte und Holzschlagrechte an Brandenberger Bauern auf 65 Hektar direkt unter dem Guffertstein (1963 m) erteilt. Heute üben nur noch 8 Bauern diese Weiderechte heute aus. Sie haben Herbert Gwercher schon vor vielen Jahren zu ihrem Obmann gewählt.
Zusätzlich zur Weidewirtschaft üben die Bundesforste ihre Rechte, Holz zu ernten sowie die Jagdrechte aus.
Eigentümerin der Almflächen ist die Republik Österreich. Aus diesen Besonderheiten hat sich eine lebendige, arbeitsteilige Struktur entwickelt, die sehr sorgfältig diese Lebensgrundlage für das Zusammenleben von Mensch, Tieren und fruchtbarer Natur pflegt.
Bild 2: Weissachalm
Die Weissachalm ist ein wunderschöner Raum und weckt Vorstellungen, wie es im Paradies gewesen sein mag: Ruhe, Weite, Harmonie und dauerhaftes Leben von Menschen, gezähmten und wildlebenden Tieren und Pflanzen in echter, nachhaltiger Symbiose. Die Tätigkeit des Menschen fördert sowohl das Wachsen der aufgetriebenen Jungrinder und Kälber in 4 Sommermonaten, als auch die erstaunlich vielfältige Biodiversität der Pflanzen und Tiere, besonders der Vögel, Kleinlebewesen, Hirsche, Gämsen, Rehe, Füchse und Dachse. Dadurch werden auch Verbuschung und der Abgang von Muren, Lawinen sowie Waldbrände und Trockenschäden verringert.
Die Grundlage für dieses komplexe Lebensgeflecht ist die tatkräftige, erfahrene, umsichtige Pflege durch die weideberechtigten Bauern und die Zusammenarbeit mit dem Forstamt. Die Bauern sind dankbar, wenn alle Tiere nach dem Sommer gesund wieder auf den Talhof zurückkommen. Der Gewinn ist so gering, dass trotz der Leistungsentgelte durch Staat und EU sich die Arbeit und die Risiken finanziell nicht lohnen; vor allem im Vergleich mit anderen Verdienstmöglichkeiten.
Bild 3: Harte Arbeit
Die traditionelle Bewirtschaftung der Almen ist von nicht zu unterschätzender Bedeutung für unsere gesamte Gesellschaft. Sie ist die unabdingbare Grundlage für eine Vielzahl einzigartiger und kostbarer Schätze, die nur stichwortartig aufgeführt werden können:
- Die naturgegebene Landschaft wird nicht ausgebeutet, sondern sogar reichhaltiger gestaltet: Steigerung der Biodiversität, Schutz vor Murenabgängen, verbesserte Wasserspeicherung, Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit, Artenschutz (auch von robusten Nutztieren, die sich noch an die Almweide anpassen können).
- Die Lebensmittel enthalten durch die traditionelle Bewirtschaftung nachweislich eine einmalig hohe Konzentration von sogenannten Vitalstoffen, viel weniger schädliche Bestandteile (wie z. b. Cholesterin) und Rückstände von Giftstoffen (Antibiotika, Herbizide).
- Eine besondere, ja einzigartige Bedeutung können traditionell bewirtschaftete Almen durch ihre geradezu heilende Ausstrahlung auf Menschen haben, die in unserer heutigen, entfremdeten Gesellschaft psychosoziale Anpassungsstörungen entwickelt haben:
Die Almkultur ist die einzige heute noch lebenskräftige Kultur, die mit natürlichen Methoden die Bodenfruchtbarkeit vermehrt und sich auf das Notwendige zum Überleben konzentrieren muss, da für Luxus kein Platz ist. Die harte körperliche Arbeit stärkt und schärft den Sinn für das Notwendige. Viele Arbeiten, besonders das Bewältigen von größeren Arbeiten und akuten Gefahren erfordern die persönliche Zusammenarbeit. Für Almerer ist das ganz natürlich und notwendig. Für Gäste und Menschen mit seelisch oder körperlichen Problemen können diese Erfahrungen oftmals hervorragende Heilungsprozesse bewirken.
Uns ist bewusst, dass die Almkultur nicht nur hervorragende Produkte hervorbringt und Menschen mit besonders widerstandsfähigem Charakter formt, sondern auch besonders wertvoll ist als anschauliche Alternative zu dem katastrophalen, global herrschenden Raubbau an Natur und Menschlichkeit. Diese außergewöhnlichen Qualitäten mit vielfach seelisch und körperlich heilenden Potentialen sind im Wettbewerb mit den allgemein herrschenden Produktions- und Lebensbedingungen akut gefährdet. Nur wenige Menschen können sich diese Lebenskultur überhaupt noch vorstellen. Wir sollten gemeinsam alles tun, um die Almen lebendig zu erhalten!
Bild 4: Frohes Grillen
Die Dorfener Pfadfinder, Stamm Aar, Gartenstraße 4, D 84405 Dorfen
Herbert Gwercher A 6234 Brandenberg 87
Rolf u. Angelika Ullner Adenauerring 40, D84405 Dorfen